Das Paradigma des ewigen Wachstums

Der Klimawandel ist nicht nur ein Umweltproblem – er ist ein soziales, ethnisches und ökonomisches Problem. Und solange das gesamte System von Profiten einer auf fossilen Treibstoffen basierten industriellen Wirtschaft abhängig ist, kann der Klimawandel nur bekämpft werden, indem der Kapitalismus wie wir ihn kennen verändert wird.

Die Tatsache, dass es beim Paradigma des ewigen Wachstums keinen Endpunkt und keinen Zielhorizont gibt, ist ein großes Problem. Das ist ein Systemfehler. Wir können Ökonomen und Politiker fragen wann die Wirtschaft groß genug ist. Die Antwort muss lauten: Niemals! Egal wie innovativ, schnell, groß wir in diesem Jahr sind. Nächstes Jahr müssen wir noch was drauflegen.

Selbst wenn Wachstum einst sinnvoll war, bedeutet dies trotzdem, dass unter veränderten Vorraussetzungen und veränderten Umweltbedingungen dieses liebgewordene Konzept nicht fortsetzbar ist, was wir anhand der Endlichkeit natürlicher Ressourcen und wachsender Umweltprobleme kennen.  

Muss es immer mehr sein? Während die Armen durch reine Existenznot in einem Zustand von Überlebensangst gehalten werden, leiden die Wohlhabenden an einer anderen Art von Armut: dem Mangel an Gemeinschaft, Verbundenheit, Sinn und Vertrautheit, was zu einem massivem psychologischem Stress führt, auch wenn die existenziellen Bedürfnisse mehr als befriedigt sind. 

Warum ist unser Wachstumsmodell der westlichen Kultur zum Vorbild der Welt geworden wenn wir drei oder mehr Erden bräuchten, wenn alle so leben würden wie wir?

Wie können, dürfen und müssen wir leben, damit wir nur eine Erde brauchen und die Bedürfnisse der Bewohner dieses Planeten befriedigt werden können?

Zahlenzwang

Zwang der Quantifizierung

Der Zwang der Menschen alle Eigenschaften und Beschaffenheiten eines Gegenstands oder Sachverhalts in messbare Größen und Zahlenwerte auszudrücken. Das totalitäre Streben die gesamte Welt in Zahlen zu fassen, wird nie gelingen. Den Messungen und Modellen entgeht immer etwas: das Unmessbare, das Qualitative und das, was irrelevant zu sein scheint. Könnten wir alles messen, dann wären wir in der Lage, die optimalen Entscheidungen zu treffen. Aber unsere Messungen werden niemals alles erfassen.

Typischerweise wird das erfasst was wirtschaftlichen und politischen Interessen dient, und das, was den Auftraggebern unbewusst wichtig ist. Dann gibt es noch Dinge, die wir gar nicht zu erfassen versuchen, weil sie unmessbar sind, etwa die Wichtigkeit des Bodens oder des Wassers. Indem wir uns auf messbare Größen konzentrieren, entwerten wir das, was wir nicht messen können.  

Die Erde ist ein komplexes lebendiges System, dessen Gleichgewicht durch das tatkräftige Zusammenwirken jedes lebenden und nicht-lebenden Subsystems aufrechterhalten wird. Nicht die Emissionen der fossilen Treibstoffe sind die größte Bedrohung für das Leben auf der Erde, sondern der Verlust von Wäldern, Böden, Feuchtgebieten und marinen Ökosystemen.

Unsere Empfindsamkeit ist betäubt, unsere Empathie verkümmert. Wir fühlen nicht, was wir tun.

Neues Narrativ

Jeder Aspekt der Gesellschaft, der Wirtschaft und des politischen Systems muss auf eine neue Geschichte (Narrativ)  ausgerichtet werden.

Der Klimawandel gibt uns die Möglichkeit, eine andere Art von Beziehung aufzubauen, eine, in der uns der Planet und all seine Landstriche, Ökosysteme und Arten wichtig sind – nicht nur in unserer Begrifflichkeit und Philosophie, sondern in unseren materiellen Beziehungen. Präziser müssen wir unser Hauptaugenmerk auf die Heilung von Boden, Wasser und Biodiversität richten. Endlose Reihen von Solarpaneelen auf zerstörtem Boden werden das Problem nicht lösen.

Quelle: Charles Eisenstein (2019) Klima – Eine neue Perspektive S. 20ff.

Trennung des Menschen von der Natur

Wir Menschen leben in einer von der Natur separierten Welt. Wir leben nicht mit der Natur, sie umgibt uns. Die Umwelt, nicht Mitwelt. Neben dieser begrifflichen Separation leben wir Menschen fast ausschließlich in einer Sphäre aus Produkten, Medien und Innenräumen, was uns von der natürlichen Lebensform entfernt. Können Sie mehr als zehn Vögel nach Ihrem Ruf oder Baume nach ihren Blättern bestimmen? Ich hoffe es, aber ich denke, dass die meisten in meiner Kultur das nicht können. Dieser Grad an Entfremdung ist mittlerweile normal!

Wir fühlen eine Leere, ein Gefühl der Verarmung, einen Hunger nach etwas, das wir nicht benennen können. Übertragen auf Geld oder Konsumgüter treibt uns dieser Hunger zu immer weiteren Zerstörungszyklen. Eine Folge davon ist eine immer weiter wachsende Einsamkeit, ein Schmerz, den nichts in der Welt der Innenräume, in der hergestellten Produkt-Welt oder in der digitalen Welt lindern kann.

Selbstbestimmtheit

Um selbst entscheiden zu können, was man wirklich braucht und was nicht, ist es wichtig selbstbestimmt zu werden. An einem Schaufenster vorbei zu gehen oder Produkte von Freunden zu sehen, sie aber nicht kaufen zu müssen, bedeutet Freiheit. Wenn ich mir bewusst bin, dass mein Unbewusstes ständig durch Werbung und Verführung attackiert wird, kann ich mich auch dagegen entscheiden. 

Welche Bedeutung hat Zeit?

Es ist tatsächlich nicht mehr erforderlich als eine neue Zeit-Politik, eine Revolution des gesellschaftlichen Zeitregimes, welches den Schutz und die Entfaltungsmöglichkeiten der jeweiligen Eigenzeit einbezieht, psychologisch, kulturell, wirtschaftlich. Denn es häufen sich die Probleme, die sich aus der Bewirtschaftung der Zeit ergeben, und die alle mit der Rücksichtslosigkeit gegenüber der Eigenzeit zu tun haben. 

Was ist Freiheit?

Freies Verhalten kann man definitionsgemäß nicht vorherbestimmen, sonst wäre es ja nicht frei. In weiten Teilen unseres Lebens ist unser Verhalten allerdings nicht wirklich frei.

Institut für Konsum- und Nachhaltigkeitsforschung

[ Adresse ]

Schreibe einen Kommentar